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TechnikGlobal

Sam Altman: Was bedeutet seine Rückkehr zu OpenAI?

24. November 2023

Sam Altman ist zurück. Der geschasste CEO des ChatGPT-Herstellers ist damit mächtiger denn je. Doch die Führungskrise bei dem KI-Unternehmen OpenAI schlägt weltweit hohe Wellen, sagen Branchenkenner und Aktivisten.

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Mann gestikuliert vor einem sehr dunkelblauen Hintergrund
Sam Altman ist nach wenigen Tagen an die Spitze des Unternehmens zurückgekehrtBild: REUTERS

Die Saga dauerte vier Tage. Sie begann mit dem Sturz eines gefeierten Tech-Unternehmers und endete mit seiner triumphalen Rückkehr zu OpenAI.

Am vergangenen Freitagabend feuerte der Vorstand des US-amerikanischen Unternehmens seinen CEO Sam Altman. Hitzige Debatten folgten. Mehrere verwirrende Wendungen später gab OpenAI am späten Dienstagabend bekannt, dass Altman als Chef zur Firma zurückkehren werde. Der Vorstand, der den Coup zu verantworten hatte, werde neu gebildet.

Die undurchschaubare Führungskrise hat weltweit Wellen geschlagen – und sie wirft ein Schlaglicht darauf, wieviel Macht sich zunehmend in den Händen weniger Tech-Unternehmer konzentriert, so die Digitalrechts-Aktivistin Fanny Hidvegi von der gemeinnützigen Organisation Access Now in Brüssel.

Junge Frau in einem Park
Fanny Hidvegi verfolgt die Regulierung von KI seit JahrenBild: Janosch Delcker/DW

"Einmal mehr zeigt diese Geschichte, warum wir uns aus der Abhängigkeit von der Infrastruktur einiger weniger Tech-Unternehmen lösen müssen", sagt Hidvegi der DW. Auf der ganzen Welt nutzen Unternehmen und Menschen KI-Anwendungen, die von Unternehmen wie OpenAI entwickelt werden. So sind ganze Branchen zunehmend auf ihre Technologien angewiesen.

"Gleichzeitig haben wir immer noch keine Transparenz darüber, wie diese Firmen ihre mächtigen Technologien herstellen", so Hidvegi. "Und diese ganze Saga rund um OpenAI zeigt, dass eine Corporate-Governance-Struktur, egal wie einfach oder kompliziert sie sein mag, nicht die Art von Rechenschaftspflicht bietet, die wir brauchen."

"Ein schlechtes Licht auf unsere Branche"

Altmans Rauswurf bei OpenAI, einem der weltweit führenden Unternehmen in der Entwicklung Künstlicher Intelligenz (KI), war einerseits überraschend. Und doch waren ihm Berichte vorausgegangen, dass es wachsende Unstimmigkeiten innerhalb des Unternehmens über die potenziellen Risiken seiner Technologie gebe.

Der breiten Öffentlichkeit ist OpenAI vor allem für seinen Chatbot ChatGPT und die KI-Sprachtechnologie, auf der er basiert, bekannt. Aber das Unternehmen forscht auch auf anderen KI-Feldern, einschließlich sogenannter "Artificial General Intelligence": Computersysteme, die eines Tages ihre Intelligenz auf jedes beliebige Problem anwenden könnten und sich so, ähnlich wie Menschen, neues Wissen aneignen würden.

Vor diesem Hintergrund hatte eine Gruppe von Forschenden intern immer wieder Sorgen über die unbeabsichtigten Konsequenzen ihrer Arbeit geäußert – Risiken, die Altman ihrer Meinung nach nicht angemessen berücksichtigt hat.

Diese Spaltung steht für eine größere Kluft, die die KI-Welt durchzieht: Auf der einen Seite stehen diejenigen wie Altman, die betonen, dass KI Industrien und ganze Gesellschaften zum Besseren verändern kann. Auf der anderen Seite sind diejenigen, die vor Risiken warnen, die ihrer Meinung nach sträflich vernachlässigt werden in einem Wettlauf darum, wer die Technologie zuerst auf den Markt bringt.

Seit Altmans Rauswurf gibt es Spekulationen, dass Meinungsverschiedenheiten über solche Sicherheitsbedenken zumindest teilweise zur Entscheidung des Vorstands geführt hatten.

Rasmus Rothe, Mitbegründer der Berliner KI-Investmentfirma Merantix, sagt der DW, es sei unklar, "inwieweit es bei diesem Streit um philosophische Fragen rund um Kommerzialisierung versus Sicherheit ging, oder eher um Egos und persönliche Meinungsverschiedenheiten". Vielleicht, so fügt er hinzu, "war es auch ein bisschen von beidem".

Lächelnder junger Mann steht  in einem Gang
Rasmus Rothe äußert Kritik am Umgang von OpenAI mit seiner FührungskriseBild: Janosch Delcker/DW

Aber Rothe betont, dass Altmans Entlassung und die Art, wie das Unternehmen damit umgegangen ist, Auswirkungen auf die KI-Welt weltweit habe – eine Industrie, die durch gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsprojekte sowie Investitionen miteinander verknüpft ist.

"Es wirft ein schlechtes Licht auf unsere gesamte Branche, die noch in den Kinderschuhen steckt. Und das, während viele Unternehmen hart daran arbeiten, Vertrauen zu schaffen", sagt der Unternehmer, der auch im Vorstand der deutschen Industrievertretung KI Bundesverband sitzt: "OpenAI sollte hier eine klare Führungsrolle einnehmen, aber die Firma hat in dieser ganze Episode ein erstaunliches Maß an Chaos und Dilettantismus gezeigt."

Der Kampf um Regeln für KI

So könnte Altmans Rückkehr auch Auswirkungen auf die Debatte darüber haben, welche Gesetze und Vorschriften für künstliche Intelligenz notwendig sind. Ende Oktober stellte US-Präsident Joe Biden per Erlass Anforderungen an komplexe KI-Technologien auf. Auf der anderen Seite des Atlantiks feilt die Europäische Union momentan am Kleingedruckten einer KI-Regulierung, dem umfassendsten KI-Gesetzesvorhaben der Welt.

Wenige Unternehmer waren in der Diskussion bisher so sichtbar und einflussreich wie Altman: Dieses Jahr allein ist der sprachgewandte 38-Jährige einmal um die Welt gereist, um mit Gesetzgebern von Washington DC bis Brüssel über das Thema zu sprechen. "Ich hoffe, dass Regulatoren diese ganze Saga als Beweis dafür nehmen, dass sie mehr auf die Zivilgesellschaft hören müssen statt auf diese Galionsfiguren oder Tech-Visionäre", sagt Hidvegi, die Mitglied einer Expertengruppe war, die von der EU 2018 als ersten Schritt in Richtung KI-Regulierung eingesetzt wurde.

Kein ChatGPT mehr? Wie KI-Regulierung uns betrifft   

Zunächst jedoch geht Altman als Gewinner der aktuellen Führungskrise hervor – und das nicht als einziger. "Ein weiterer Gewinner ist Microsoft", sagt Hidvegi. Seit 2019 hat der US-Technologieriese knapp 12 Milliarden Euro in OpenAI investiert und hält nun 49 Prozent der Unternehmensanteile. Nach Altmans Rauswurf bot Microsoft schnell an, ihn einzustellen. Jetzt, da der Unternehmer zu OpenAI zurückkehrt, drängt der Konzern Medienberichten zufolge darauf, künftig einen Vertreter im neuen Vorstand von OpenAI stellen zu können.

"Und wieder einmal gewinnt Big Tech", sagt Hidvegi.

Kommentarbild Janosch Delcker
Janosch Delcker Chefkorrespondent für Technologie