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KonflikteHaiti

IOM: Humanitäre Lage in Haiti verschlechtert sich dramatisch

10. März 2024

Port-au-Prince, die Hauptstadt des Karibikstaates Haiti, ist weiter in großen Teilen in der Hand bewaffneter Banden. Nun berichtet die UN-Organisation IOM, dass wegen der Gewalt Tausende Bürger fliehen.

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Haiti Port-au-Prince | Ein Bürger von Port-au-Prince auf dem Weg in eine öffentliche Einrichtung, um Unterschlupf zu finden (09.03.2024)
Ein Bürger von Port-au-Prince auf dem Weg in eine öffentliche Einrichtung, um Unterschlupf zu finden (am Sonnabend)Bild: Guerinault Louis/Anadolu/picture alliance

Angesichts der Gewalt-Eskalation in Haiti hat sich die humanitäre Lage in dem Karibikstaat dramatisch verschlechtert. Die Bewohner der Hauptstadt Port-au-Prince lebten "eingesperrt", die Stadt sei "von bewaffneten Gruppen und Gefahren umgeben", so Philippe Branchat, der Leiter des Haiti-Büros der Internationalen Organisation für Migration (IOM).

Bewaffnete Banden kontrollieren den größten Teil der Hauptstadt sowie Straßenverbindungen in den Rest des Landes. Seit Tagen greifen sie Polizisten, Gefängnisse und Gerichte an.

Die Bandengewalt hat laut IOM innerhalb einer Woche mindestens 15.000 Menschen in Port-au-Prince in die Flucht getrieben. "Die Haitianer sind nicht in der Lage, ein normales Leben zu führen. Sie leben in Angst, und mit jedem Tag, jeder Stunde, die diese Situation andauert, wird das Trauma schlimmer", so Branchat. Insgesamt seien in Haiti 362.000 intern Vertriebene registriert, teilte die UN-Organisation am Samstag (Ortzeit) mit.

Notstand und Ausgangssperre

Aufgrund der massiven Verschlechterung der Sicherheitslage hatte die Regierung vor einer Woche den Notstand mit nächtlicher Ausgangssperre ausgerufen. Am Wochenende versuchten Polizeieinheiten in der Hauptstadt, ihre territoriale Kontrolle in der Nähe wichtiger Regierungsgebäude auszuweiten. Zuvor hatten aufständische Banden Polizeistationen angegriffen.

Haiti, Ausgebrannte Autowracks in Port-au-Prince (09.03.2024)
Ausgebrannte Autowracks in Port-au-Prince (am Sonnabend)Bild: Clarens Siffroy/AFP/Getty Images

Die Gewalt in dem Karibikstaat war in Abwesenheit von Haitis Regierungschef Ariel Henry eskaliert, während dieser sich auf einer Auslandsreise in Kenia befand. Die bewaffneten Banden im Land fordern den Rücktritt Henrys, der eigentlich Anfang Februar aus dem Amt hätte scheiden sollen. Henry hatte sich stattdessen Ende Februar mit der Opposition darauf verständigt, bis zur Abhaltung von Neuwahlen "innerhalb von zwölf Monaten" gemeinsam zu regieren.

Aus Port-au-Prince selbst berichtete ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP, dass dutzende Menschen am Samstag örtliche Verwaltungsgebäude besetzten, um dort Zuflucht vor der Gewalt zu finden. Am Freitag hatten nach Angaben der haitianischen Polizeigewerkschaft bewaffnete Männer den Präsidentenpalast und das Polizeipräsidium in Port-au-Prince angegriffen. Mehrere Angreifer wurden demnach getötet.

Gewaltausbrüche auch außerhalb der Hauptstadt

IOM-Vertreter Branchat meldete Gewaltausbrüche auch aus dem nordwestlich der Hauptstadt gelegenen Département Artibonite, Straßenblockaden aus Cap Haitien im Norden des Inselstaats und Treibstoffmangel aus dem Süden. Staatliche Behörden und Schulen im Land sind dauerhaft geschlossen, der Flughafen und der Hafen in Port-au-Prince sind außer Betrieb.

Auch die Gesundheitsversorgung ist nach IOM-Angaben stark beeinträchtigt. Mehrere Krankenhäuser seien von Banden angegriffen worden, ärztliches Personal und Patienten hätten Kliniken verlassen müssen - unter ihnen neugeborene Babys. Mehrere Vertreter von UN-Organisationen in Haiti warnten in einer gemeinsamen Erklärung davor, dass 3000 schwangere Frauen möglicherweise vom Zugang zu medizinischer Versorgung abgeschnitten seien. 450 von ihnen drohten ohne ärztliche Hilfe "tödliche Komplikationen".

Das bitterarme Haiti befindet sich seit Jahren in einer schweren wirtschaftlichen und politischen Krise und beklagt zunehmende Gewalt. Laut den Vereinten Nationen sind seit Jahresbeginn durch die Bandengewalt etwa 1200 Menschen getötet und knapp 700 weitere verletzt worden. Die staatliche Grundversorgung stünde vor dem Kollaps, Tausende Menschen seien von humanitärer Hilfe abgeschnitten, so die UN.

AR/se (epd, afp)

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