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Expertenrat vermisst Gesamtkonzept für deutschen Klimaschutz

22. August 2023

Im Juni hatte das Kabinett den Entwurf der Regierung für ein Klimaschutzprogramm 2023 beraten. Nun hat der Expertenrat für Klimafragen eine Stellungnahme abgegeben. Und er sieht reichlich Handlungsbedarf.

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Deutschland Stau auf der A100 in Berlin
Eines der Problemfelder beim Klimaschutz: der starke Autoverkehr in DeutschlandBild: Getty Images/S. Gallup

Das unabhängige Expertengremium bewertete nicht nur die Pläne der Bundesregierung zum Klimaschutzprogramm für das laufende Jahr, sondern erstellte auch einen Prüfbericht für die Bereiche Gebäude und Verkehr. Der Entwurf aus dem Haus von Wirtschaftsminister Robert Habeck soll auf Grundlage der Stellungnahme des Expertenrats überarbeitet und dann beschlossen werden. Habeck hatte mit Blick auf den Klimawandel selbst eingeräumt, dass die angedachten 130 Maßnahmen nicht ausreichen, um die deutschen Klimaziele für 2030 zu erreichen. Ein Grund dafür sind die Rückstände bei der Emissionssenkung in den Bereichen Gebäude und vor allem Verkehr.

Expertenrat kritisiert Pläne der Regierung

Der Expertenrat für Klimafragen stellt der Bundesregierung nun kein gutes Zeugnis aus. Die Klimaschutzmaßnahmen gingen zwar in die richtige Richtung, reichten aber noch immer nicht aus, teilte das Gremium in Berlin mit. "Bei etlichen Maßnahmen sehen wir die Realisierungswahrscheinlichkeit und die Abweichung zwischen der Realität und den Annahmen der Bundesregierung in den Unterlagen kritisch", sagte Hans-Martin Henning, der Vorsitzende des Expertenrats. "Die erwartete Gesamtminderung wird daher vermutlich überschätzt."

Expertenrat für Klimafragen veröffentlicht Stellungnahme
Hans-Martin Henning, Vorsitzender des Expertenrats für Klimafragen, und seine Stellvertreterin Brigitte KnopfBild: Bernd von Jutrczenka/dpa

Der fünfköpfige Expertenrat resümiert in seinem Bericht weiter, "dass das vorgelegte Klimaschutzprogramm 2023 nicht die Anforderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes an ein Klimaschutzprogramm erfüllt". Die Bundesregierung habe dem Expertenrat keine konsistente Datengrundlage für die Bewertung der Minderungswirkung der geplanten Maßnahmen bei der Treibhausgassenkung übermittelt. "Methodische Defizite bestehen vor allem bei der konkreten Beschreibung von Maßnahmen, der korrekten Abbildung der Maßnahmen in den Modellrechnungen sowie der fehlenden Berücksichtigung von unsicheren Rahmenbedingungen."

Fortschritte und Defizite erkennbar

Nach Prüfung der vorgelegten Daten geht der Rat davon aus, dass die von der Bundesregierung erwartete starke Minderung der Treibhausgas-Emissionen bis zum Jahr 2030 teilweise realisiert werden kann. Wichtige Beiträge ergäben sich in den betreffenden Projektionen vor allem aus dem Energiewirtschaftssektor und dem Industriesektor sowie dem Gebäudesektor.

Auch im Verkehrsbereich seien die beschriebenen Schritte zur Senkung der Treibhausgase, die Emissionen tatsächlich zu senken. Allerdings verbleibt in diesem Sektor "eine Zielerreichungslücke, die im Vergleich zu den anderen Sektoren besonders hoch ausfällt, zugleich aber aufgrund der inkonsistenten Datenlage nicht klar abschätzbar ist". Insgesamt sei zu erwarten, dass auch nach Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2023 "eine substanzielle Zielerreichungslücke" verbleiben werde.

Schlüssiges Gesamtkonzept fehlt

Aus Sicht des Expertenrats ist für die Schließung der genannten Zielerreichungslücke "ein zusammenhängendes, in sich schlüssiges und konsistentes Gesamtkonzept" erforderlich. Dafür brauche es einen übergreifenden Maßnahmenrahmen, der alle Handlungsfelder gleichermaßen und konsequent adressiere. "Ein solches Gesamtkonzept sollte die genannten Herausforderungen offen und transparent ansprechen und eventuelle Zielkonflikte gegeneinander abwägen", betonen die Experten.

Deutschland muss seine CO2-Emissionen laut Klimaschutzgesetz bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich mit dem Jahr 1990 senken, aktuell sind es gut 40 Prozent. Dafür dürfen dann 2030 nur noch 440 Millionen Tonnen an klimaschädlichen Treibhausgasen ausgestoßen werden. 2022 wurden 746 Millionen Tonnen freigesetzt.

kle/se (expertenrat-klima.de, dpa, afp, rtr)